Das Kind da abholen wo es steht - Das Ziel kann nicht geübt werden!
Es hat keinen Sinn etwas mit einem Kind zu üben, was es (noch) nicht kann. Dabei lernt es vor allem, es nicht, nicht vollständig oder nicht richtig zu können. Oft werden hier verschiedene Maßnahmen zum Ersatz noch fehlender Fähigkeiten des Kindes eingesetzt. Beispiele dafür sind Gehwagen, Gehen an der Hand usw. Kinder genießen die Freiheiten die sie dadurch gewinnen, entwickeln aber nicht die Fähigkeiten, die dafür eigentlich erforderlich sind, weil ihnen diese von den Hilfsmitteln abgenommen werden. Auch wenn bestens gemeint, hemmen solche Mittel also oft die Entwicklung des Kindes.
Wenn man hingegen da ansetzt wo das Kind wirklich steht, hat es die Chance, alle Fähigkeiten zu entwickeln, die es benötigt.
Ein Beispiel: Ein Mädchen mit Zerebralparese (CP) lehnte sich während der ersten NeuroScanBalance-Lesson im Sitz immer wieder ruckartig so weit nach hinten, dass es umkippte. Seine Mutter war dabei sofort zur Stelle, um es zu fangen. Ihre Absicht war, ihr Kind vor Verletzungen und Schmerzen zu schützen. Allerdings machte die Kleine so nie die Erfahrung, was die Verlagerung ihres Gewichtes nach hinten bewirkt. Wir sorgten also dafür, dass sie während der kommenden Sitzungen spüren konnte, was eigentlich passiert, wenn sie sich so weit zurück lehnt. (Wir haben selbstverständlich mögliche Verletzungsrisiken aus dem Weg geräumt.) Dabei landete sie mit dem Hinterkopf auf der Behandlungsliege. An ihren verwunderten Blick kann ich mich immer noch gut erinnern. Bereits am zweiten Tag des NeuroScanBalance-Blockes hörte sie damit auf, sich nach hinten zu "schmeißen" und saß stabil.
Meistens zeigen sich komplexe Fähigkeiten wie Aufstehen, Gehen usw. spontan, wenn die nötigen Lernerfahrungen dafür gemacht werden. Die Kinder müssen dann nicht dazu aufgefordert werden. Es hat auch keinen Sinn, von einem Kind zu fordern, eine neu erworbene Fähigkeit zu wiederholen, denn dabei gehen Spontanität und Eigeninitiative des Kindes verloren.
Ein hervorragendes Beispiel für so eine spontane Entwicklung ist im Bericht von Janniks NeuroScanBalance-Sitzungen zu finden. Jannik trank während des NSB-Blocks zum ersten Mal selbstständig aus seinem Becher.
Eine Mutter teilt ein Video über die Entwicklung ihrer Tochter:
Wir lernen immer das, was wir tun. Ist eine Fähigkeit unvollständig, hat es keinen Sinn sich diese Muster durch Wiederholungen noch tiefer einzuprägen. Dies gilt insbesondere auch für unsere Kinder. Was sie brauchen, sind nicht langwierige sich wiederholende Übungen sondern variantenreiche Bewegung, für die sie sich begeistern können, womit wir beim nächsten Punkt sind.
Variation vs. Sinnesüberflutung
Das Gehirn lernt durch neue Erfahrungen. Diese entstehen entweder, wenn wir etwas Neues tun oder wenn wir etwas auf neue Weise tun. Die erfahrenen Varianten führen zu mehr Differenzierung im Gehirn und damit zu neuen Möglichkeiten.
Kinder mit besonderen Bedürfnissen sind oft darin eingeschränkt, die für ihr Gehirn nötigen Variationen zu schaffen. Hierbei können wir sie unterstützen. Wichtig ist dabei zu verstehen:
Neu ist für das Gehirn nur, was auch als neu erlebt wird. Unser Leben ist voll mit Varianten, oft können wir diese aber nicht wahrnehmen. Dasselbe gilt für unsere Kinder. Für diese ist besonders wichtig, dass die ihnen gebotenen Reize nicht zu hoch sind. Dies führt eher zu Abstumpfung als zu echten Lernprozessen. Es empfiehlt sich also, sanft und einfühlsam vorzugehen. Wenn ein Kind sich abwendet oder unaufmerksam ist, ist dies ein Zeichen dafür, dass das Gehirn die Unterschiede nicht verarbeitet. Ist das Kind begeistert bei der Sache, deutet das darauf hin, dass es sich im Lernmodus befindet.
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